Blogland – Blogger Relations / Corporate Blogging

Die „soziale Blogger-Persönlichkeit”

Cision will sie kennen

Dienstag, 05. Februar 2013

Berlin vor zehn Tagen: Ich sitze mit einer Freundin – ebenfalls in der Unternehmenskommunikation tätig – beim Vietnamesen. Und natürlich können wir nicht anders, als irgendwann über PR-Themen zu sprechen. Schnell geht´s auch um Blogger und Blogger Relations. Plötzlich die nicht überraschende, aber eine Aufmerksamkeit weckende Info: “Cision bietet inzwischen ja auch Blogger-Verteiler an.”

Wer PR macht, der kennt den Dienstleister Cision. Softwaregestützt kann man sich von ihm Verteiler zusammenstellen lassen, Medien auswerten, Pressemitteilungen versenden und vieles mehr. Eine gute Sache – für den Einstieg in ein Thema. Wenn ich mich plötzlich in der Situation wiederfände, für einen großen Angler-Wettbewerb die Öffentlichkeitsarbeit zu machen, wäre ich unendlich froh, wenn mir eine Datenbank nach drei Klicks alle Medien zu den Themen “Angeln”, “Fisch” und “Freizeit an deutschen Seen” (ok, letztgenanntes ist eine Phantasiesparte – aber bei all den special interest Medien halte ich nichts für unmöglich) ausspuckte und ich sie in Form von Erstlektüre und -kontakt auf Eignung für mein Projekt abarbeiten könnte.  Wollte ich aber langfristig nicht nur Veranstaltungsankündigungen, sondern tiefergehende Berichte und Anglerportraits in den richtigen Blättern unterbekommen, so würde mir Cision langfristig nicht weiterhelfen. Dann müsste ich mich auf Fachveranstaltungen aufhalten, mit relevanten Journalisten in medias res gehen und die wichtigsten Zeitschriften als Abo auf den Schreibtisch bekommen.

So, und Cision bietet nun also auch eine Datenbank mit digitalen Influencern an? Findet für meinen konstruierten PR-Anlass die entsprechenden bloggenden Angler oder angelnden Blogger heraus? Darüber musste ich doch schmunzeln, während ich mir meine vietnamesischen Reisvariation in Kreuzberg schmecken ließ. Denn gerade erst 24 Stunden vorher saß ich mit mehr als 20 Bloggerinnen zusammen und wir sprachen im Rahmen des BLOGST-Workshops “Bloggen als Business” natürlich auch über die gängigen Methoden, wie Unternehmen auf Blogger zugehen. Über blutleere “Sehr geehrte Damen und Herren”-Mails (ich erspare mir den überflüssigen Hinweis, dass Blogger in der Regel allein einen Blog führen) und allgemeingültige Pressemitteilungen für da geächzt. Darüber, dass die Ansprache in den seltensten Fällen individuell sei und man nicht das Gefühl bekommt, dass der Mailabsender den Blog mehr als einmal angeschaut hat.

Vor diesem Hintergrund fällt es mir schwer zu glauben, dass die Cisions-Datenbak einem Unternehmen in Sachen Blogger-Relations sinnvoll weiterhelfen kann. Die Einschätzung von Cision selbst geht in eine ganz andere Richtung. So schreibt das Unternehmen auf seiner Website in meinen Augen Erstaunliches:

Cision’s Influencer Database umfasst Zehntausende Blogger und Meinungsmacher aus mehr als 1.000 verschiedenen Themenbereichen. Identifizieren Sie mühelos die für Sie relevanten Meinungsmacher, erfassen Sie deren Online-Präsenz und Persönlichkeit und setzen Sie sich effektiv mit ihnen in Verbindung. Daten aus sozialen Profilen liefern ein Gesamtbild der Online-Präsenz sowie Hintergrundinformationen. Schauen Sie sich die Profile von über 50 sozialen Plattformen, wie z. B. Twitter, Facebook und LinkedIn, unsere detaillierten Tipps für die Kontaktaufnahme, die Vorlieben des jeweiligen Kontakts sowie dessen soziale Persönlichkeit an. (…) Cision Influence Rating bietet einen detaillierten Blick auf jeden einzelnen Journalisten, Blogger und jede Veröffentlichung und zeigt an, wie groß ihr jeweiliger Einfluss in den traditionellen und sozialen Medien sein kann. Cision bewertet sie auf einer Skala von 0 bis 99 und berücksichtigt dabei mehr als 40 Faktoren – unter anderem soziale Statistiken wie die „Gefällt mir“ – Angaben auf Facebook, Retweets auf Twitter, Unique-Visitor-Zahlen, eingehende Links, Kommentare usw. Meinungsmacher werden sowohl anhand der Wirkung ihrer Inhalte als auch ihrer Präsenz auf sozialen Plattformen bewertet, so dass ihr Auftreten online und offline berücksichtigt wird.

Cision kennt die soziale Persönlichkeit von Bloggern? Das würde ich bei Gelegenheit gern mal überprüfen. Denn ich muss gestehen, dass ich derzeit nicht mit Cision arbeite. In Sachen Journalistenkontakte erinnere ich mich an info@-Adressen und Nummern der Zentrale, die mir keinen direkten Kontakt zu einem Journalisten bahnten. Verständlicherweise sind direkte Ansprechpartner bei Medien und deren direkte Kontaktdaten auch nur schwer zu pflegen. Erstens wollen wohl nur wenige Journalisten in solchen Datenbanken stehen und zweitens ist die Fluktuation groß. Und gleichzeitig verspricht Cision Blogger-Kontakte mit allem Zipp und Zapp? Mit charakteristischen Wesensmerkmalen? Wie soll das denn gehen? Gibt es in jeder Stadt studierte Psychologen als Cision-Mitarbeiter, die sich täglich mit Bloggern auf einen Café treffen und permanent deren Blogs lesen? Die bei jeder größeren Bloggerkonferenz dabei sind und auch bei Facebook mit den Protagonisten interagieren? Denn das bräuchte es wohl, um die Informationen in einer Datenbank zu vermerken, die es dem Nutzer möglich machen, aus einer großen Zahl von Lifestyle-, Food- oder Fashionblogger die fünf passendsten herauszusuchen.

Allein die Filterkriterien “Fashion”, “Berlin” und “Vintage”  würde eine enorme Zahl an Treffern bringen. Bietet Cision hier tatsächlich weitergehend Informationen – unabhängig von der Anzahl an Tweets und Gefällt mir-Drückern? Alter vielleicht? Lieblingsband? Sprachstil des Blogs? Lieblingsfarben? Essgewohnheiten? Humorstil? Wie muss ich mir das vorstellen? Weiß die Cision-Datenbank, dass der Backbube eine Freundin und auch als Mann einen Faible für liebevoll verpackte Backwaren hat? Und dass Lucie Marshall früher regelmäßig Yoga gemacht hat? Nicht, dass das in Sachen Blogger Relations nun grundsätzlich notwendige Merkmale wären, aber wenn sich jemand schon so weit aus dem Fenster lehnt, von “Persönlichkeit” zu sprechen, dann fragt man sich schon, was damit gemeint ist. Wenn es jemand, der dies hier liest, aus eigener Anwednung aufklären kann – ich freue mich über entsprechende Kommentare.

Ich nehme an, viel mehr als ”Fashion”, “Berlin” und “Vintage” kann die Filterfunktion schwer bieten. Und sollte ich mit dieser Annahme richtig liegen, bliebe einem Unternehmen, das Cision nutzt, am Ende nichts anderes übrig, als allen Ergebnissen zu diesem drei Stichworten eine standardisierte Mail zu schreiben. Im schlimmsten Fall mit dem Einstieg “Sehr geehrte Damen und Herren”.